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Yannick Koller

Yannick Koller über die Kallikinegrafie
Reflection, 2002-2003, color, silence, 4'43
Lisboa, 2002, Super 8, color, silence, 6'12
Haizhu Square, 2007, color, silence, 4'30
Statement
"Die Kenntnis der chinesischen Kultur und die Ausübung der chinesischen Kalligrafie haben, in Bezug auf meinen persönlichen Hintergrund, meine kinematografische Herangehensweise begründet, die ich mit dem Neologismus "Kallikinegrafie" bezeichnet habe. Dieses originäre Konzept, das das Zusammentreffen zweier Kulturen (der chinesischen und der westlichen) sowie zweier Kunstgattungen (der chinesischen Kalligrafie und der Kinematografie) markiert, dreht sich um einen zentralen Wert der chineisischen Kultur: des Qi oder der "Energie der Lebenskraft". Genau dieser Wert bildet eine treibende Kraft und einen aktiven Grundsatz meiner Kreativität. In meiner kinematografischen Arbeit, ist er es, der es mir erlaubt, die schwingungsfähigen Qualitäten der Realität auf Film zu bannen.

Eigentlich befragt und begreift meine künstlerische Vorgehensweise die Welt in Bezug auf einen ungreifbaren, dabei aber vollkommen gegenwärtigen Wahrnehmungsmodus, der es mir erlaubt die rhythmischen Vibrationen von Objekt und Raum einzufangen. Diese wahrnehmbaren Kräfte - nicht weniger als eine Kristallisation von Energiepartikeln - bilden mein hauptsächliches Arbeitsmaterial und Konzept. Sie stehen am Beginn der treibenden Kräfte und des Rhythmus' meiner Kunst, sei es nun Fotografie, Film oder Installation.

Kinematografisch gesprochen ist das, was mich an solchen Wahrnehmungsphänomenen interessiert, das was sich im Unvorhersehbaren und in der eigenen inneren Offenheit gegenüber der Dynamik des Raums ereignet: Eine bindende Realitätserfahrung, zu jeder Zeit neu, mit der Möglichkeit die Dinge in ihrem eigenen Netz von Vibrationen wahrzunehmen.
In der Konsequenz weichen meine Filme von der herkömmlichen "Anfang - Höhepunkt - Ende"- Kurve ab. Stattdessen werden sie von einem Fluss rhythmischer Schwingungen getragen, der auch meine Wahl der Einstellungen, auch in technischer Hinsicht, während des Drehs gesteuert hat.
Aus diesem Grund werden die rhythmischen Strukturen meiner Bilder - zeitweise gleichen sie Trommelschlägen - ganz und gar in der Stille meiner Filme erlebt. Auch der Ton nimmt in manchen meiner Filme Gestalt an, aber dann begreife ich die Beziehung zwischen Bild und Ton als unabhängig voneinander.
Schlussendlich fungiert der Film als Vermittler oder Adapter dieser Sinneserfahrung, indem er den gesamten Prozess vermittelt und die aufgenommen Bilder unverändert der Öffentlichkeit zugänglich macht (ohne Nachbearbeitung).

Was ich durch meine künstlerische Arbeit erwirke, ist ein Teilen dieser Erfahrung, denn sich der Realität in ihrer ganzen Tiefe anzunähern - jenseits von unmittelbaren Erscheinungen und innerhalb dessen, was jenseits von uns geschieht - erlaubt jedem auch tiefer in sich selbst vorzudringen."

Yannick Koller