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Lena von Goedeke

Radar
Das Radarverfahren als eine der ersten remote sensing-Techniken der Menschheit hat als satellitenbasierter Georadar einen besonderen Stellenwert bei der Erforschung, Vermessung und Dokumentation der Erdoberfläche und Kruste. Im Gegensatz zu anderen Techniken ist es dem Radar möglich, auch an bewölkten Tagen oder nachts die Erdoberfläche zu scannen, und ist rein optischen Verfahren wie der Triangulation oder eben dem menschlichen Blick gegenüber im Vorteil.
 
Lena von Goedeke, Radar II, 2019, Schnitt in Reflektorgewebe, 12tlg., 170 x 245 cm
Radar II, 2019
Installationsansicht, Galerie m, Bochum
Radar II, 2019
Detailansicht
Radar II, 2019
Detailansicht
Bei meinen Recherchereisen auf die Inselgruppe der Vesterälen nördlich des Polarkreises und Spitzbergen in der Arktis, konnte ich zwei der drei wichtigsten Observatorien für remote sensing in Nordeuropa besuchen. Im Andøya Space Center in Andenes betreiben NASA und esa mit Hilfe von Radar und Lidar, in Kooperation mit den Stationen in Longyearbyen auf Spitzbergen und Kiruna in Nordschweden, Basisforschung in der Erdatmosphäre. Hier wird Grundlagenwissen über die Beschaffenheit und die Veränderungen unseres Planeten gesammelt; hier werden die Verwerfungen der Erde durch den tauenden Permafrost und zurückweichende Gletscher dokumentiert. Auch die Zusammensetzung der Atmosphäre wird durch Radaraufnahmen dargestellt.
Ausgehend von verschiedenen Visualisierungen der gesammelten Daten des großen Radarfeldes in Andenes habe ich Radar I und Radar II realisiert. Die kleinsten Einteilungen dessen, was wir mit unseren externen Sinnen wahrnehmen, sind Quadrate, Dreiecke und Würfel. Pixel, Voxel und Polygone. Alle Oberflächen dessen, was unsere wetterfesten Augen wahrnehmen, können in Polygone aufgeteilt werden. Die Genauigkeit der Abbildung ist abhängig von der Auflösung, je feiner, desto schärfer die Realität. Die hyperreale Vermessung durch Sensoren und Linsen stellt jedoch keine Frage nach Wahrheit und Inhalt; der Winkel der Darstellung ist nur von Interesse für die Vermessung, nicht aber für die Ästhetik. Die Eigenschaften des gescannten Materials - hier nordische Landschaften - kann man sehen, wenn man nicht falsch kalibriert ist; ob es massiv und schwer, verzerrt oder relationsgenau ist, spürt man; wir sind diese Art der Darstellung seit dem Siegeszug der Computergrafik so gewohnt, dass wir das Objekt sofort lesen können.
Gleichzeitig ist die Darstellung einer Oberfläche als Wireframe auch ein Vexierbild. Ich nutze einen Höhendatensatz, um eine Landschaftsoberfläche im 3D-Programm virtuell nachzubauen. Eine Projektion davon übertrage ich auf das reflektierende Material. In Handarbeit schliesslich schneide ich alles weg, das nicht für die Logik des Motivs benötigt wird, und reduziere es damit auf die simpelste Art der Darstellung - so schlicht und gleichzeitig so komplex, zeige ich damit einen Ausschnitt der Schönheit der Wissenschaft.